• ArgeLandentwicklung im MarktTreff Brekendorf: Jürgen Blucha begrüßt
  • Jürgen Blucha, scheidender Abteilungsleiter Nachhaltige Landentwicklung im MLLEV

Bundesweite Delegation besucht den MarktTreff Brekendorf – Jürgen Blucha zieht Bilanz

K i e l   MT 15.08.2023 – Hoher Besuch in Schleswig-Holstein: Die ArgeLandentwicklung, die Bund-Länder Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung der Agrarministerkonferenz, bereiste jüngst das nördlichste Bundesland. Jürgen Blucha, amtierender Vorsitzender der Arge und zuletzt Abteilungsleiter im Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz (MLLEV; seit dem 15. Juli 2023 hat seine Nachfolgerin Ina Abel die Abteilungsleitung übernommen), zeigte seinen Fachkolleg:innen das MarktTreff-Modell in Brekendorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde) – als „gute Praxis“ ländlicher Entwicklung.
Für Blucha war dieser Besucheiner seiner letzten Außentermine: In diesem Monat wird er nach vielen Jahren im Landesdienst das Ministerium verlassen und sich in den Ruhestand verabschieden.

Jürgen Blucha, scheidender Abteilungsleiter Nachhaltige Landentwicklung im MLLEV
Viele Jahre ein Schwerpunkt der Arbeit von Jürgen Blucha: die ländliche Entwicklung

MarktTreff hat Blucha in seiner Arbeit mit geprägt – und Blucha hat der ländlichen Entwicklung in Schleswig-Holstein neue Impulse gegeben. Im Gespräch erläutert er seine Erfahrungen und seinen „Blick in die Zukunft“. 

Frage: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten MarktTreff-Termin im Jahr 2015? Sie besuchten den Laden und den gemeinsamen Mittagstisch in Koberg, Kreis Herzogtum Lauenburg. Jetzt plant die Gemeinde eine Modernisierung. Was zeichnet das MarktTreff-Modell für die Nahversorgung in kleinen Gemeinden aus? 

Blucha: Den Termin habe ich noch in sehr guter Erinnerung. Die große Anzahl der Teilnehmer:innen aus dem Dorf und das hervorragende Mittagessen in Gemeinschaft haben mich überrascht und beeindruckt. 
Hier habe ich erlebt, wie das MarktTreff-Konzept jeweils spezifisch auf die Bedürfnisse und Anforderungen des Dorfes zugeschnitten wird. Damit trägt es die Handschrift der Akteure: der Betreiber:innen, der Gemeindevertretung, der Bevölkerung. Das ist sicher ein Erfolgsfaktor. In Koberg beispielsweise ist – neben dem kleinen Laden – der Treff ein wichtiges Element: Essen in Gemeinschaft, von Schulkindern, deren Eltern vielleicht berufstätig sind, bis hin zu Älteren, die hier gern Bekannte treffen und im Gespräch bleiben.

Frage: Welche Bilanz ziehen Sie nach rund acht Jahren Begleitung der MarktTreffs? 

Blucha: Das Konzept ist insgesamt sehr durchdacht und hat sich über viele Jahre bewährt. Denken sie nur an die drei Säulen Einkaufen oder Gastronomie, Dienstleistungen und das Treffangebot. Dazu kommt der flexible Zuschnitt auf die  Kund:innenbedürfnisse an den einzelnen Standorten. In dieser gestützten Individualität liegt für mich auch ein Schlüssel zur Resilienz. Wenn es mal hakt, eine Ladenleitung aufgibt oder eine Modernisierung ansteht, gibt es verlässliche Strukturen zur Hilfe und zur Neufindung. Das macht das Modell widerstandsfähig und langlebig: Bisher ist bei Krisen noch immer eine Lösung zur Fortsetzung gefunden worden.

Frage: Wo muss das Konzept der MarktTreffs künftig noch besser werden?

Blucha: Gerade in den vergangenen Jahren hatte die MarktTreff-Familie einige Herausforderungen zu meistern: Corona, Energiekrise, Inflation und Kostendruck. Dabei hat sich die wohnortnahe Versorgung bestens bewährt – für alle Generationen. Zugleich gab es einen Schub nach vorn. Der Erneuerungsprozess läuft, die Nutzung wird weiter verbessert. Dank Digitalisierung können sie in den ersten MarktTreffs bereits rund um die Uhr einkaufen. Mit Chipkarte, 24/7-Öffnung und Selbst-Scan-Kasse werden sicher Jüngere, die den MarktTreff erst während der Coronazeit entdeckt haben, langfristig gebunden. Wem das zu technisch ist, nutzt die Zeiten mit Personal – es soll ja niemand zurückgelassen werden. Das bestätigt: MarktTreff findet schlüssige Antworten auf Trends.

Frage: Aktuell sind Sie Vorsitzender der ArgeLandentwicklung. Wie sehen Ihre Kollegen beim Bund und in den anderen Bundesländern die ländliche Entwicklung Schleswig-Holsteins?

Blucha: Lassen Sie mich kurz ausholen: Die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Nachhaltige Landentwicklung (ArgeLandentwicklung) ist ein Arbeitsgremium der Agrarministerkonferenz (AMK) und beschäftigt sich mit Fragestellungen rund um die nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume und der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse.
Die Rahmenbedingungen im ländlichen Raum werden durch zahlreiche Faktoren, wie beispielweise der Globalisierung, dem Struktur- und demografischen Wandel, der Digitalisierung sowie neuen Herausforderungen wie dem Klimawandel und dem Erhalt der biologischen Vielfalt, rasant verändert. Daher gilt es, die Instrumente der Landentwicklung stetig weiterzuentwickeln und anzupassen.
Das Spektrum dieser Aufgaben zeigt bereits: eine pauschale Sicht und Antwort sind hier nicht möglich. Bei 16 Bundesländern und selbst innerhalb Schleswig-Holsteins entwickelt sich der demografische Wandel nicht durchgängig. Die Herausforderungen sind regional sehr verschieden. Beim Beispiel Digitalisierung ist Schleswig-Holstein schon vergleichsweise weit. In anderen Themenfeldern können wir uns etwas abschauen, zum Beispiel bei der Unterstützung regionaler Wertschöpfungsketten.
Was wir in der Arge Landentwicklung pflegen, ist der „Blick über den Tellerrand“. Im Austausch erleben und entdecken wir eine Fülle von Anregungen. Ich denke zum Beispiel an den sozialen Faktor, wie den oben erwähnten zentralen Treff in der Gemeinde. Das ließe sich gut übertragen, diesen Impuls gilt es dann länderspezifisch zu „übersetzen“. Denn jedes Bundesland definiert den Umgang mit den Fördermitteln aus GAK und ELER  eigenständig. 

Frage: Welche Impulse hat Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren in den Bund gesendet?

Blucha: Es wird schon bundesweit wahrgenommen, dass sich das MarktTreff-Modell kontinuierlich weiterentwickelt. Unsere Beschreibung vom „lernenden Projekt“ hat sich eingeprägt. Bei der ländlichen Entwicklung ist es hilfreich, sich die Vielfalt anzuschauen. Insgesamt haben wir eine große Anzahl „guter Praxis“ aufzubieten und fördern damit den fruchtbaren Austausch untereinander. Einige Projekte haben die Kolleg:innen der ArgeLandentwicklung Anfang August während ihres dreitägigen Aufenthalts in Schleswig-Holstein näher kennengelernt. 
Außer des MarktTreffs Brekendorf haben wir den Kolleginnen und Kollegen zwei Flurbereinigungsverfahren gezeigt. Das eine Verfahren in den Hüttener Talauen leistet einen wichtigen Beitrag zur Sicherung von Niederungsflächen, die für die CO2-Bindung und damit für den Klimaschutz von großer Bedeutung sind. Mit dem anderen Verfahren schützen wir das Weltkulturerbe Danewerk – also zwei komplett unterschiedliche gesellschaftlich definierte Schutzbedürfnisse, die mit demselben Instrument gesichert werden und das unter Beachtung der agrarstrukturellen Notwendigkeiten. Dies zeigt sehr anschaulich, wie vielfältig und spannend die Aufgaben in der integrierten Ländlichen Entwicklung sind.

Frage: Wo steht MarktTreff, wo stehen die ländlichen Räume in zehn Jahren?

Blucha: Wir sprechen ja bewusst von den ländlichen Räumen, in der Mehrzahl. Die Herausforderungen und Potenziale sind differenziert, schon wenn sie als Anhalt nur die Kreise Dithmarschen, Schleswig-Flensburg oder Ostholstein betrachten. Mit Blick nach vorn haben wir doch große Chancen: die Dekarbonisierung, der Wandel von Wind zu Wasserstoff; die Mobilitätswende mit einem angepassten landesweiten Ticket, das ländliche und urbane Räume praktikabel verknüpft; Coworking, das tagsüber mehr Leben in die Dörfer bringt und zugleich die Lebensqualität des Einzelnen steigert – in der Mittagspause kurz im MarktTreff einkaufen. Im Zusammenspiel dieser Entwicklungen machen wir die ländlichen Gemeinden zukunftsfest.

Frage: Und jetzt: Bleiben Sie der ländlichen Entwicklung weiter verbunden?

Blucha: Zunächst einmal gibt es eine kurze Pause: Wir fahren mit dem Wohnmobil nach Schweden. Und da ich gern wandere, mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs bin, plane ich, per pedes zu einem späteren Zeitpunkt unsere Tochter in der Schweiz zu besuchen. 
Aber nach so vielen Jahren im Landesdienst möchte ich auch gern etwas „zurückgeben“. Seit kurzem bin ich Vorsitzender des Vereins Zukunftsfähiges Schleswig-Holstein, Bildung für nachhaltige Entwicklung e. V. Ich kehre quasi zu meinen Wurzeln der Bildungsarbeit zurück. Mit einem starken Team und erfahrenen Kooperationspartnern wollen wir wichtige Themen wie Flächenkonkurrenz, Siedlungsentwicklung, Versiegelung, Energiewende debattieren und Inhalte vermitteln. Und ich werde die kommenden fünf Jahre die politische Entwicklung an meinem Wohnort als Mitglied der Gemeindevertretung begleiten – eine Kommune mit ländlicher Prägung im Umfeld eines Oberzentrums.

Herr Blucha, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen im Namen der MarktTreff-Familie für Ihre persönliche Zukunft alles Gute!

Jürgen Blucha, scheidender Abteilungsleiter Nachhaltige Landentwicklung im MLLEV

Vita Jürgen Blucha

Geboren 1958 in Melle (Niedersachsen).
1979-1984 Studium der Politikwissenschaft und Öffentliches Recht an der Universität Hamburg und am Institut d’Etudes Politiques, Paris.
Dipl.-Politologe und bis zum 15.07.2023 Leiter der Abteilung Nachhaltige Landentwicklung (m.d.W.d.G.b.) im Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein (MLLEV). 
Seit 1993 in der Landesverwaltung in unterschiedlichen Funktionen tätig.
1998-2010 Leiter der Akademie für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein (das heutige BNUR).
2011-2013 Referent für Umwelt-, Klima- und Agrarpolitik im Hanse-Office, Brüssel.
2013-2015 Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) / Zentraldezernent für ländliche Entwicklung.
2015 bis heute Leiter des Referates Ländliche Entwicklung im MLLEV.
Seit vielen Jahren kommunalpolitisch ehrenamtlich aktiv in seiner Wohngemeinde.
Vorsitzender des Vorstands Zukunftsfähiges Schleswig-Holstein, Förderung der Bildung für nachhaltige Entwicklung e. V.

Eindrücke vom Besuch der ArgeLandentwicklung im MarktTreff Brekendorf

ArgeLandentwicklung im MarktTreff Brekendorf
Im Treffbereich des MarktTreffs informierte sich die Fachleutegruppe der ArgeLandentwicklung über das schleswig-holsteinische Modellprojekt. Brekendorfs Bürgermeister Rainer Mertens, Lutz Hippe (Vorstand Bürgergenossenschaft Brekendorf / Hüttener Berge), Jürgen Blucha (MLLEV), MarktTreff-Koordinatorin Ina Alter (MLLEV), Thorsten Bausch (Tante Enso / myEnso) und Ingwer Selhoff vom MarktTreff-Projektmanagement erläuterten Idee und Netzwerk von MarktTreff.
Ina Abel, neue Abteilungsleiterin Nachhaltige Landentwicklung, und Dr. Klaus Heider, Abteilungsleiter für den Bereich Ländliche Entwicklung und Digitale Innovation des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Im Gespräch im MarktTreff Brekendorf: Ina Abel, die neue Abteilungsleiterin Nachhaltige Landentwicklung im Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz, und Dr. Klaus Heider, Abteilungsleiter für den Bereich Ländliche Entwicklung und Digitale Innovation des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
ArgeLandentwicklung im MarktTreff Brekendorf
Die Expert:innen der ländlichen Entwicklung aus den Bundesländern machten auf ihrer Themenexkursion durch Schleswig-Holstein Station im MarktTreff Brekendorf.
Selbstscan-Kasse im MarktTreff Brekendorf: myEnso-Geschäftsführer Thorsten Bausch hilft einem Kunden
Thorsten Bausch, Geschäftsführer von myEnso, die den 24/7-Tante-Enso-Laden im MarktTreff Brekendorf betreibt, erklärte die Selbstscan-Kasse ...
Selbstscan-Kasse im MarktTreff Brekendorf: Bürgermeister Rainer Mertens hilft einem Kunden
... ebenso wie Bürgermeister Rainer Mertens, der Stefan Taxis aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Funktionen erläuterte.
ArgeLandentwicklung im MarktTreff Brekendorf: Broschüren-Studium
Mit Interesse wurden gleich die Informationsflyer zu MarktTreff Schleswig-Holstein studiert.
Abschied im MarktTreff Brekendorf: Jürgen Blucha (MLLEV), Bürgermeister Rainer Mertens (rechts) und Ina Alter (MLLEV, links)
Abschied in Brekendorf: der scheidende Abteilungsleiter im schleswig-holsteinischen Ministerium für ländliche Räume (MLLEV), Jürgen Blucha (Mitte) mit Brekendorfs Bürgermeister Rainer Mertens und Ina Alter, MarktTreff-Projektkoordinatorin im MLLEV

Informationen zu Gründung und Betrieb eines MarktTreffs
Bei Interesse an der Gründung eines neuen MarktTreffs nehmen Sie bitte Kontakt auf mit dem Projektmanagement unter:
gruendung@markttreff-sh.de

Detaillierte Informationen zum Projekt MarktTreff mit vielen Arbeitshilfen und aktuellen Tipps finden Sie unter:
www.markttreff-sh.de

Das Projekt MarktTreff wird gefördert durch den europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER), die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) und das Land Schleswig-Holstein.

Fotos: MarktTreff SH / ews group

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