MarktTreff-Jahresgespräche:
Stabilität und Aufbruch in schwierigen Zeiten
K i e l MT 25.07.2023 – Während der Corona-Pandemie haben MarktTreffs gezeigt, wie wichtig die wohnortnahe Versorgung ist. Viele Bürger:innen stärkten 2021 ihren Lebensmittelmarkt oder Dorfladen und sorgten teilweise für ansehnliche Umsatzsteigerungen. Das zurückliegende Jahr 2022 wurde überschattet durch den Ukrainekrieg und seine Auswirkungen wie explodierende Energiekosten, steigende Inflation, Hinwendung zu Discountartikeln.
Unter diesen Vorzeichen besuchte jüngst das Beratungsteam von ews group und BBE Handelsberatung (beide vom landesweiten MarktTreff-Projektteam) mit Vertreter:innen des Landesamts für Landwirtschaft und nachhaltige Landentwicklung (LLnL) die über 40 Standorte. Die Resultate überraschen: großteils prägen Stabilität und Aufbruchstimmung die Lage, einige Orte berichten über erfolgreiche Betreiberwechsel, andernorts stehen Modernisierungen an. Und neu gewählte Bürgermeister:innen zeigen sich interessiert am MarktTreff-Modell.
Die wirtschaftliche Entwicklung im Berichtszeitraum des Jahres 2022 zeigt sich weitestgehend stabil bis leicht positiv. Zahlen spiegeln die Bilanz so wider: 20 Betreiber:innen erzielten ein stabiles Ergebnis. 12 Betreiber:innen steigerten den Umsatz. „Wobei zunehmende Kosten und stellenweise niedrigere Spannen die häufig guten Erträge insgesamt drücken im Vergleich zum guten Vorjahr“, erläutert Oliver Ohm, Niederlassungsleiter Nord der BBE. Hintergrund sei unter anderem die starke Inflation, die dazu geführt habe, dass sich viele Kund:innen stärker auf das sogenannte Einstiegssortiment konzentrierten. Und die preisgünstigen Eigenmarken wiesen deutlich unterdurchschnittliche Handelsspannen auf, so Ohm. In einer Phase des Auf- oder Umbruchs sind acht Standorte. An drei Standorten hat ein Betreiberwechsel stattgefunden, an einem Standort steht betriebsbedingt eine (temporäre) Schließung bevor. Alle MarktTreff-Betreiber:innen sind weiter mit hohem Engagement und großem Einsatz aktiv – wobei die Unwägbarkeiten der Krise auf die Stimmung drücken.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) bestätigt diese Entwicklung mit einer Anfang Juli veröffentlichten Prognose. Diese geht davon aus, dass die Umsätze der Branche in diesem Jahr real, also preisbereinigt, um vier Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen werden. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth verwies auf eine Verbandsumfrage, nach der ein Viertel der Verbraucher:innen in Deutschland Angst hätten, nicht mehr mit dem Geld auszukommen. „Oft kaufen sie weniger, in vielen Fällen weichen sie auf günstigere Produkte aus“, sagte Genth. Insgesamt gäben 45 Prozent der Bevölkerung an, sich in irgendeiner Weise einzuschränken.
Einen dagegen optimistischen Blick wagt Witzworts Bürgermeister Johann Sievers (Kreis Nordfriesland): „Unser MarktTreff mit seiner starken Anbindung an den Hauptladen in Garding ist ein täglich vielbesuchter Einkaufs- und Treffpunkt. Wir sind sehr zufrieden mit dem Angebot und dem Team der Familie Pioch. Und wir haben noch viel vor in Zukunft. MarktTreff ist Zentrum unserer wachsenden Gemeinde.“ Sievers hebt die Expansion der nahen Meierei Witzwort hervor und blickt bereits auf die angekündigte Ansiedlung des Batterieherstellers Northvolt in Heide: „Das kann der gesamten Westküste einen Schub geben. Den wollen wir zu unserem Vorteil nutzen. So haben Anfragen nach Baugrundstücken deutlich zugenommen.“
Konstanz und gute Stimmung zeigen sich ebenfalls in Tetenhusen (Kreis Schleswig-Flensburg). „Für uns als Gastronomen waren die Jahre 2020 und 2021 eine anstrengende Zeit. Im vergangenen Jahr liefen die Buchungen und Besuche wieder gut an“, fasst Hans Hermann Kophstahl vom Gasthaus „Zum Fuchsbau“ im MarktTreff die Lage zusammen. Insbesondere Familienfeste und Feiern hätten für eine gute Auslastung gesorgt. Das Catering-Geschäft hätte ebenfalls zum stabilen Betriebsergebnis beigetragen. Kophstahl bringt die Arbeit am Herd und das Austarieren von À-la-carte-Angeboten, Saalbetrieb und Catering wieder richtig Spaß. Nebenan läuft zudem die Modernisierung des nahkauf-Markts von Betreiber Volker Stiefel – nach dem Umbau wird der Laden mit zusätzlichen Backwaren und Treff die Frequenz im MarktTreff stärken.
Modernisierung eines erfolgreichen MarktTreffs und altersbedingte Betriebsübergabe: Beide Themen spielen im 1.900 Einwohner zählenden Alt Duvenstedt (Kreis Rendsburg-Eckernförde) eine Rolle. Mit dem Jahreswechsel 2022/23 ist Betreiberpaar Susanne und Hans-Jürgen Pahl in den wohlverdienten Ruhestand gegangen und hat den Edeka-Markt an Malte Haas und Victoria Folenweider aus Owschlag übergeben. Dank guter Vorbereitung lief die Übergabe reibungslos. „Bei uns herrscht nun große Vorfreude auf den umfassenden Umbau, der unmittelbar bevorsteht“, sagt Folenweider, die den Betrieb verantwortet. „Danach werden wir unsere Warenangebote weiter optimieren und noch mehr zum täglichen Treff unserer Kundinnen und Kunden.“ In direkter Nähe gibt es weiter die „Marktstuuv“, die von der Gemeinde und Vereinen häufig genutzt wird für Veranstaltungen und Zusammenkünfte.
Gute Mienen auch im 800-Einwohner-Dorf Kleinjörl im Kreis Schleswig-Flensburg. Die erfahrenen Betreiber Ingrid und Holger Schau stehen seit vielen Jahren für Nahversorgung – täglich ab 6.00 Uhr in der Früh. Neben einem umfassenden Grundsortiment zeichnet sich der MarktTreff Jörl durch das „Sonntags-Café“ und das „Dienstags-Grillen“ aus. Ingrid Schau erläutert diese Besonderheit: „Zu diesem Treff kommen jeweils rund 100 Begeisterte zusammen: Es wird gegessen, getrunken, geschnackt. Das ist Leben auf dem Land, wie es sein soll.“ Ein ähnlicher Magnet – in diesem Fall Mittags-Grillen für Ältere – findet bei MarktTreff-Betreiber Manfred Langer in Heidgraben (Kreis Pinneberg) statt.
Lutz Martensen ist wiedergewählter Bürgermeister in Ladelund (Kreis Nordfriesland, 1.500 Einwohner:innen). Seine Schilderung über das vergangene Jahr beschreibt ein weiteres Kapitel der Erfolgsgeschichte. Der „Biker-Park“ für Radbegeisterte werde sehr gut angenommen und erweitert. Der „JULA“ – Jugendtreff Ladelund, von den jungen Leuten selbst so benannt – werde im MarktTreff von wöchentlich rund 90 Kindern besucht. Der neu gegründete Handel- und Gewerbeverein sei zwischenzeitlich gewachsen und plane für Ende 2023 einen Weihnachtsmarkt. Feuerwehr und DLRG, so Martensen, haben jeweils zehn bis 15 junge Leute dazugewonnen. Mit der dänischen Nachbarregion ist eine Kooperation gestartet mit dem Ziel gemeinsamer Einwerbung von Fördermitteln. Das MarktTreff-Gebäude wurde barrierefrei modernisiert. Wie ist all das zu schaffen? „In Ladelund engagiert sich ein starkes Team, wir arbeiten Hand in Hand. Vor kurzem haben wir die Aktion ‚Buntes Dorf’ durchgeführt, mit großem Erfolg“, erläutert der Bürgermeister. Zur Wiederbelebung des Vereinslebens hätten sich rund 40 Vereine auf dem Sportplatz präsentiert: „Jeder Verein hat neue Mitglieder und Ehrenamtler:innen gewonnen.“ Der Überschuss der
Veranstaltung werde für die Errichtung eines Mehrgenerationen-Spielplatzes verwendet. „Das kommt richtig gut an.“
Im Süden des Landes (Kreis Herzogtum Lauenburg) stehen ebenfalls mehrere Modernisierungen an. So soll in Koberg der Ladenbereich erweitert und energetisch ertüchtigt werden; die Suche nach einer neuen Betreiber:in läuft parallel. In Gülzow soll der MarktTreff noch attraktiver werden: Der Café-Betrieb wird neu ausgerichtet und eine neue Pächter:in wird gesucht. Der Weg zu den oberen Stockwerken (Arztpraxis Dr. Micu, Veranstaltungssaal, Archiv des Heimatvereins) soll mittels Treppenlift erleichtert werden. Mit dem 24/7-Betrieb von Tante Enso ist Bürgermeister Wolfgang Schmahl sehr zufrieden: „Die Entscheidung hat sich gelohnt. Hier kaufen Menschen aller Generationen wieder gern ein. Mit Chipkarte und Selbst-Scan-Kasse oder zu den personalbesetzten Zeiten.“ Eine Kundin schreibt auf Social Media: „24/7 einkaufen, alles im Angebot, was man braucht, bezahlen einfach gemacht. Alles top.“ Künftig will sich Tante Enso noch stärker in die Dorfgemeinschaft einbringen.
Für Ina Alter vom Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz (MLLEV) zeigen die Ergebnisse die Resilienz des MarktTreff-Modells: „In schwierigen Zeiten finden Gemeinde, Dorfgemeinschaft und MarktTreff-Betreiber tragbare Lösungen und gehen innovative Wege.“ Das spiegele sich in den vielfältigen Aktionen, den Laden-Erweiterungen, energetischen Modernisierungen, Betriebsübergaben und Neuentwicklungen wider. Für den Herbst seien weitere Neuerungen geplant.
Informationen zu Gründung und Betrieb eines MarktTreffs
Bei Interesse an der Gründung eines neuen MarktTreffs nehmen Sie bitte Kontakt auf mit dem Projektmanagement unter:
gruendung@markttreff-sh.de
Detaillierte Informationen zum Projekt MarktTreff mit vielen Arbeitshilfen und aktuellen Tipps finden Sie unter:
www.markttreff-sh.de
Das Projekt MarktTreff wird gefördert durch den europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER), die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) und das Land Schleswig-Holstein.
Fotos: MarktTreff SH / ews group